Wortschatz

 

Ich ... habe mich dem Schreiben verpflichtet. Aber versichere, weder meine Texte noch ich sind verschreibungspflichtig, auch wenn ich mich manchmal verschreibe. Heute (Abend) möchte … will ich … erzähle ich – ach Quatsch - ich lade sie/euch ein mich zu begleiten auf

 

meinem Weg zum Text

Zubeginn suche ich ein freies Fleckchen auf meinem Schreibtisch, dort platziere ich vielleicht nötige Nachschlagewerke. Als nächstes schaufele ich die Tastatur frei und wische das Tippex meiner letzten Texte vom Bildschirm. Soweit, so gut – alles bereit.

Startschuss! 

 

Die leere Textseite glotzt mich herausfordernd an, wie der böse Wolf das Rotkäppchen. Nur keine Angst zeigen, schnell die ersten Buchstaben tippen, Wörter entstehen und reihen sich aneinander, wie die Autos im Stau auf den Kölner Ring - inhaltslos, nichtssagend. Aber ... ich erkenne Entwicklungspotential.

 

Goethe, Schiller und Mozart haben es doch auch geschafft, Buchstaben und Sätze auf's Papier zu bringen und die sind heute berühmt. Das schaffe ich auch, motiviere ich mich – nur ohne berühmt.

 

Es ist ja auch nicht irgendein Text, sondern meiner. Er soll mit Humor raffiniert gestrickt, Intelligenz verwöhnend, Emotionen erregend, spannend, nachhaltig, und natürlich natürlich als auch ökologisch wertvoll sein.

Das ist ein schwieriges Unterfangen. Denn die Gefahr von hohlen Phrasen lauert an jeder Ecke. Und wenn ich dadurch der Ein-sil-big-keit und Wort-karg-heit verfalle, kann ich keinen Blumentopf mehr gewinnen.

Trotzdem - mutig eile ich ohne jegliche Sicherheitsvorkehrung, wie  semantische Schutzweste, orthographische Protektionshaube und Tempus-Machete, in den linguistischen Dschungel der deutschen Sprache.

 

Rechts und Links von meinem Weg schlingen sich Interpunktionslianen durch, um und vom Geäst der himmelhochstrebenden ABC-Bäume. Die Triebe, Äste und Blätter dieses, noch nicht gefällten und zu 80 Gramm Papier gebündelten, Baumriesen,  bilden Wörter aller Art, groß und klein geschrieben funkeln sie im Licht der aufgehenden Poesie.

 

 

 

Schaut! Auf meinem Pfad stehen auch sogenannte Wildwörter: Suffixe, Präfixe, Syntaxe, frische Flexionen, sowie einige Kausale, die mich ständig Stolpern lassen.

 

Die grammatikalischen Wurzeln dieses blühenden Unsinns sind so tief im Konrad-Duden-Acker verankert, dass meine Forderung nach einer glyphosatorischen Lexemreform von der Redaktion mit blumigen Worten abgeschmettert wird.

 

Hier darf noch alles wild, wirr und wüst wachsen.

 

So schnell wie möglich versuche ich das Dickicht aus Grammatik und Interpunktion verlassen. Am Wegesrand wachsen nun vermehrt Stilblüten, die auf der Suche nach Wärme und Anerkennung ihre farbenfrohen duftenden Köpfchen in meine Richtung recken. Der Duft ist verführerisch. Aber ich widerstehe dem Drang, mir einen Strauß zu pflücken.

 

Und stehe - Oh nein, auf der Lichtung der Konjugationen. Durchschreite ich den sumpfigen Grund des „Indikativen Präsens“, kann ich den treibsandigen Bereich des „Konjunktiven Präteritum“ vermeiden?

Lauscht! – Hört ihr auch das leise Säuseln des Blätterwaldes.

 

Hinter mir hat gerade ein Partizip des Perfekts bedrohlich geschrien. Lauf, lauf! Befiehlt die allmächtige Stimme des Imperativs. Ich renne los.

 

In nicht allzu großer Ferne entdecke ich den Mountain of Neologismus, dort bin ich safe. Im Dreisprung – Subjekt, Prädikat, Objekt – jumpe ich dort hin und, obwohl der Xenismus mit Worthülsen auf mich schießt, durchbreche den Schutzwall des deutschen Grammatikregelwerks.

 

Atemlos, werfe ich mich hinter der Firewall des Anglizismus in Deckung. Sogleich ertönt das Ansageband des Facilitiy Managers: Come in and find out, thank you for booking the deutsche Wortschatz.

 

Wenn ihnen mein Text nun, genau wie mir, Kopfschmerzen bereitet, dann benötigen wir vielleicht ein Pharmakon und das ist verschreibungspflichtig.